Bürgermeister Bernd Blisch ist am 9. Juni der Titelverteidiger – Bilanz und Ausblick
FLÖRSHEIM (pm) – Wenn Bernd Blisch es sich einfach machen wollte, könnte er auf die Statistiken verweisen. Bürgermeister, die nach einer ersten Amtszeit erneut antreten, haben in der Regel recht gute Chancen auf eine Wiederwahl, wenn sie nicht gerade das silberne Besteck der Rathausküche mitgehen ließen. Bis März konnte der 2018 erstmals gewählte Flörsheimer Verwaltungschef auch darauf hoffen, dass sich kein anderes Lager aus der Deckung wagt, um das CDU-Parteimitglied herauszufordern. Dies stellt sich seit dem Bewerbungs- Fristablauf am Ostermontag nun etwas anders dar: Drei Gegenkandidaten wollen, dass die erste die einzige Amtszeit Blischs bleibt.
Diese Anzahl Mitbewerber überraschte ihn schon, wie er bekennt. Dass er mangels Herausforderer am 9. Juni die zweite Amtszeit praktisch schon sicher hat, entsprach hingegen nie seiner Erwartung, betont der 61-Jährige. „Die SPD ist eine große Partei und es gehört zur Demokratie dazu, dass man den Bürgern Alternativen anbietet“, betont Blisch, immer mit einer Kandidatur seitens der Sozialdemokraten gerechnet zu haben. Dass die CDU ihn wieder ganz offiziell zu ihrem Kandidaten kürte, hätte Blisch rechtlich nicht gebraucht, um wieder zu kandidieren. Vor sechs Jahren war die breite Unterstützung durch das Vierer-Bündnis, das ihn zum gemeinsamen Bewerber bestimmte, ein wichtiges Signal gewesen, das ihm von vornherein gute Chancen auf die Wahl sicherte. Diesmal ist er alleine auf dem CDU-Ticket unterwegs, das ihm allerdings auch wichtig ist, wie Blisch betont. „Wenn die CDU in diesem Jahr gesagt hätte, wir unterstützten dich nicht, hätte ich mich schon gefragt, was da los ist.“ Aber die Partei zeigte sich auf der jüngsten Mitgliederversammlung geschlossen einverstanden mit der erneuten Kandidatur.
Doch wie bewertet der Bürgermeister selbst seine ersten sechs Jahre im Amt, als Abgleich zwischen seinen Vorstellungen von der Aufgabe vor dem Antritt des Jobs und der Realität? Überrascht habe ihn wenig von dem, was seine Arbeit in den vergangenen Jahren prägte, betont Blisch. Durch die Arbeit als Pressesprecher und Kulturamtsleiter der Stadt (bis 2001) habe er nahe am damaligen Bürgermeister gearbeitet. Ein großer Teil seiner Amtszeit war allerdings sowieso alles anders als gewohnt. „Nur 2019 war eigentlich ein normales Jahr“, sagt Blisch. „Der Rest war Corona.“ Am 11. März 2020 wurde nach einem Treffen mit dem Landrat alles ganz anders, ein paar Tage danach hatte Flörsheim einen der ersten Corona-Toten Deutschlands zu beklagen. „Da hab ich mich schon gefragt: hoppla, was ist das jetzt?“, zumal die Verwaltung sich plötzlich mit dem Player „Social Media“ auseinander setzen musste. „Da wurde zum Beispiel gefordert, das Haus des Verstorbenen müsse markiert werden.“
Nach den ersten sechs, zum guten Teil somit etwas speziellen Jahre mache die Aufgabe ihm aber immer noch viel Spaß, versichert Blisch. „Das hat auch etwas damit zu tun, dass es gefühlt meine Stadt ist. “Was heißen soll, dass „mich alles betrifft und interessiert, was in der Stadt geschieht“. In seiner Funktion als Chef der Verwaltung ging es ihm vor allem um ein Thema: „Der Dienstleistungsgedanke steht für mich immer im Vordergrund.“ Da gebe es in den Ämtern bei den Mitarbeitenden zweifellos „Grade der Abstufungen, wie man das sieht“. Es gelte entsprechend daran zu arbeiten, damit dies immer stärker in die Köpfe hineingehe. Die Digitalisierung in der Verwaltung sei ein Thema, bei dem man „eine ganze Menge mehr machen“ könne und Blisch verweist auf das Onlinezugangsgesetz. Das sah schon für 2022 vor, dass Bund und Länder ihre Dienstleistungen komplett über das Netz anbieten – die Realität sieht auch zwei Jahre später etwas anders aus. „Wir sind da in vielem besser geworden, aber nicht alle möchten alles online machen“, sieht Blisch weiter Bedarf dafür, den Vor-Ort-Kontakt anzubieten – eine Entlastung des Personals durch digitale Angebote hätte aber auch den Vorteil, dass es seine Zeit anders einsetzen könne.
Verantwortlich ist ein Bürgermeister auch für das Arbeitsklima in der Stadtverwaltung. Dass im Flörsheimer Rathaus auffällig viele Abgänge aus den Ämtern zu beklagen seien, wie es von außen scheint, stellt Blisch in Abrede. „Das liegt bei uns nicht über dem Schnitt.“ Der sicher herausstechende Ausstieg von Ordnungsamtsleiterin Heike Schiller habe viel damit zu tun gehabt, dass in ihre Zuständigkeit das Corona-Management fiel. Drei der 15 Ämter seien letztlich vom Ausstieg von Amtsleitern betroffen gewesen, „alle hatten einen persönlichen Grund für ihrenWeggang“. Wer als Amtsinhaber kandidiert, wird natürlich immer auch an seiner Arbeitsbilanz gemessen. Dass nicht alle Themen, die schon bei seinem Amtsantritt der Umsetzung harrten, abgeschlossen sind, wie weiterhin die Weilbacher Umgehung, heiße nicht, dass sie in seiner Amtszeit liegengeblieben seien, denn „das würde suggerieren, man hat da nichts gemacht“. Es sei eher die Realität in den Abläufen, das viel immer noch geprüft und geklärt werden müsse, „bei dem Thema wäre ich aber auf jeden Fall gerne weiter als wir es jetzt sind“.
Dagegen sieht er die Haushaltslage im Vergleich zu den Jahren vor seiner Amtszeit, in denen nächtelange Sitzungen nicht selten waren, um einen beschlussfähigen Etat irgendwie hinzubekommen, wesentlich entspannter, „Da bin ich stolz, dass wir es geschafft haben, die Hessenkasse zurückzuzahlen, auch die Schulden aus den Investitionen zurückfahren konnten und sogar eine Rücklage von 18 Millionen Euro hatten“, betont Blisch. „Beim Thema Finanzentwicklung sind wir jetzt sogar weiter als ich es mir damals für 2024 dachte.“
Auch die Entwicklung des Gesundheitscampus im ehemaligen Marienkrankenhaus, „ohne dass Ärzte weggegangen sind oder das Haus mal geschlossen war“, zählt er zu seinen Erfolgsthemen. Und schon 2019 sei die Abschaffung der Straßenbeiträge für die Anwohner erfolgt, „trotzdem ist in einiges Straßen etwas gemacht worden, mehr wäre mit den Beiträgen auch nicht gelaufen“. Was in den kommenden sechs Jahren geschehen könne unter einem Bürgermeister Bernd Blisch, das hänge – „ohne Moss nichts los“ – nicht nur von der eigenen Arbeit abhängigen Entwicklung der Finanzen ab. „Wir brauchen die Möglichkeiten und den Spielraum, um etwas machen zu können, ohne zu sagen, dann machen wir eben wieder Schulden“.
Bei der Entwicklung neuer Wohngebiete oder Gewerbeflächen hänge vieles von der Fertigstellung der Weilbacher Umgehung ab, um den LKW-Verkehr, der aus dem „falsch angesiedelten Gewerbegebiet“ an der Weilbacher Straße durch Weilbach oder Flörsheim donnert, aus den innerörtlichen Straßen herauszubekommen. „Ich glaube nicht, dass es finanziell in den nächsten Jahren einfacher wird“, erwartet Blisch allerdings keine leichten Entscheidungen in den städtischen Gremien aus purem Reichtum heraus. „Zu sagen, morgen kommt die Goldfee oder wir finden das Bernsteinzimmer, ist ja eher unwahrscheinlich. Es ist immer wieder Arbeit, das Ganze einigermaßen solide aufzustellen.“
Blisch wandert 2030 durch Flörsheim
Als „soliden Arbeiter im Weinberg“ sieht Blisch sich selbst. Heißt: „Da ist ein Problem, das gucken wir uns an, das muss gelöst werden und so wird es dann umgesetzt.“ Daher ist der Entwurf des Bürgermeisters für einen Blick voraus auf ein Flörsheim am Ende einer zweiten Amtszeit im Jahr 2030 nicht von überraschenden neuen Ideen geprägt. Er begibt sich für seine Vorausschau auf eine Wanderung durch die Stadt zu den Stätten, an denen sich in den kommenden sechs Jahren eine Entwicklung zeigen sollte. Er beginnt am Mainufer, dessen Umbau 2030 längst abgeschlossen „und dann immer noch top in Schuss ist“. Die Pfarrer-Münch-Straße hoch kommt er zum Gallusplatz, wo ein Pfarrzentrum oder Gebäude steht, das wieder mit Leben erfüllt ist und rege für die Gemeinschaft genutzt wird. „Mit einem Saal, bei dem man merkt, da kommen nicht nur wegen der Fastnacht auch die Leute zusammen.“
Am Rathenauplatz vorbei wandert Blisch durch die Unterführung und kommt beim alten Friedhof an, der 2028 entwidmet wird. „Ich hoffe, dass man dann dort eine Grünanlage hat, die die Leute einlädt“, sagt Blisch. Hinten raus geht es über den Anne- Frank-Weg in Richtung Bahnhof, wo er keineswegs ein fertig entwickeltes Gelände auf der Nordseite der Schienen erwartet, „aber man sieht schon, dass da etwas entsteht“. Noch in diesem Jahr werde wohl entschieden, was dort überhaupt hin soll, die Vorgabe im ISEK gebe dafür eine Orientierung. Über die Weilbacher Straße stößt Wanderer Blisch nach einiger Zeit auf die fertig gebaute Weilbacher Umgehungsstraße, die es auch ermöglicht hat, dass sich im Gewerbegebiet Weilbacher Straße das eine oder andere zusätzliche Unternehmen angesiedelt hat, weil sich niemand mehr dran stört, dass auf der Straße LKW langfahren.
In Weilbach ist im Baugebiet Krimling bis 2030 das eine oder andere Haus bereits gewachsen, hofft Blisch. Rüber geht es nach Wicker, wo am Ortseingang die neue Feuerwache zu sehen ist. Zwischen der Goldbornhalle und dem nördlichen Ortsrand ist zudem ein neues Baugebiet entstanden, „ein Haus darf schon stehen, andere sind in der Planung“. Auf dem Grundstück der jetzigenWache am Kreisel könnte bis dahin auch bereits eine neue Nutzung mit einerWohnbebauung umgesetzt sein. Den Berg in südliche Richtung hinab kommt Blisch im Herbst 2030 schließlich in Keramag/ Falkenberg an. Hier sollte das GewebegebietWest V.2 soweit entwickelt sein, „dass die eine oder andere Firma schon draufsteht und Gewerbesteuer zahlt“.
Das Gewebegebiet südlich der Bahn wird ausschließlich durch die neue Bahnunterführung erschlossen, so dass der Bahnübergang im Wohngebiet geschlossen werden kann. Ein letzter Schlenker zurück in die Stadtmitte führt zum Herrnberg, wo die Bebauung auf dem von der Terra erworbenen Teil an der Kapellenstraße inzwischen abgerissen und mit 17 Wohnungen neu bebaut ist. Auf der anderen Seite, die in privater Hand bleibt, wurden im Hauptgebäude die Wohnungen modernisiert und umgebaut. Die Tankstelle schließlich ist zum West V.2 umgezogen, der Eingangsbereich der Stadt aus Hochheim oder Rüsselsheim kommend bietet somit einen schöneren Anblick.
Quelle: Flörsheimer Zeitung von Donnerstag, den 2. Mai 2024